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Geschlechtsbestimmung von Küken im Ei Verfahrensentwicklung bis zur Marktreife

Im Interview mit Prof. Dr. Almuth Einspanier und Dr. Dirk Wilken von der Universität Leipzig erfahren Sie, mit welchen praxistauglichen Methoden das Geschlecht des Kükens bereits im Ei bestimmt werden kann, die das Töten männlicher Küken in Legehennenbetrieben überflüssig machen – und wie Projektförderung dabei helfen konnte.

Warum ist das Thema so relevant und welche Ziele verfolgte das Projekt?

Das Töten von männlichen Eintagsküken wurde seit Jahren im Agrarsektor und bei Verbraucherinnen und Verbrauchern kontrovers diskutiert. Jährlich wurden bis Ende 2021 in Deutschland etwa 40 Millionen Küken unmittelbar nach dem Schlupf manuell aussortiert und getötet, weil für männliche Küken aus Legehennen-Linien kaum ökonomisch tragfähige Verwendungsmöglichkeiten existieren. Als Konsequenz erfolgte zum 1. Januar 2022 der gesetzliche Erlass zum Verbot von Töten männlicher Eintagsküken in Deutschland. Zielsetzung der vom BMLEH im Programm der Innovationsförderung seit 2008 fortlaufenden geförderten Forschungsvorhaben war es, Analysemethoden zu entwickeln, die beim Haushuhn bereits vor dem Schlupf des Kükens eine sichere Geschlechtsbestimmung erlauben und zu einem Zeitpunkt einsetzbar sind, bei dem noch kein Schmerzempfindungsvermögen des Hühnerembryos anzunehmen ist.
 

"Ziel war eine Analysemethode, die bereits vor dem Schlupf des Kükens eine sichere Geschlechtsbestimmung zu einem Zeitpunkt erlauben, bei dem noch kein Schmerzempfinden des Hühnerembryos anzunehmen ist."

Prof. Dr. Almuth Einspanier, Veterinärmedizinische Fakultät, Universität Leipzig

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Eine solche Methode muss dabei praxistaugliche, schnell, möglichst kostengünstig und präzise sein. Zudem sollte sie nicht zu einer maßgeblichen Verringerung der Schlupfrate oder einer Beeinträchtigung der Tiergesundheit oder von Leistungsparametern der geschlüpften weiblichen Küken führen.

Bei den geförderten Projekten wurden dabei zwei verschiedene Lösungswege verfolgt:

  1. Die endokrinologische Geschlechtsbestimmung (In-Ovo I, In-Ovo II, In-Ovo III und In-Ovo VI) beruht auf einer Hormonanalyse: Dem Ei werden in Sekundenbruchteilen wenige Tropfen Flüssigkeit (embryonaler Harn) entnommen. Mit einem Marker wird dann ein spezielles Hormon gesucht. Kann dieses nachgewiesen werden, handelt es sich um einen weiblichen Embryo. Der Vorteil dieses Verfahrens ist eine besonders hohe Messgenauigkeit.
  2. Die spektroskopische Geschlechtsbestimmung (In-Ovo I, In-Ovo II und In-Ovo IV) macht sich dabei die unterschiedliche Größe der Geschlechtschromosomen von männlichen und weiblichen Hühnern zunutze. Bereits nach dreitägiger Bebrütung entwickeln sich kleine Blutgefäße, die sich für eine Geschlechtsdiagnose nutzen lassen. Eingesetzt wird die Ramanspektroskopie (im nahinfraroten Wellenlängenbereich), deren großer Vorteil unter anderem die kontaktlose Untersuchung ist. Dadurch entfällt die Reinigung, Desinfektion und der Ersatz von Geräten oder Geräteteilen nach jeder Messung, sodass nur geringe laufende Verbrauchskosten entstehen. 

Gemeinsam mit Wirtschaftspartnern und weiteren Forschungseinrichtungen wurde durch die Universität Leipzig für beide Lösungswege die Methodik erarbeitet und Prototypen entwickelt, die für den vollautomatischen Einsatz in Brütereien optimiert wurden. So konnte im zuletzt geförderten Projekt “Anwendung der endokrinologischen In-ovo-Geschlechtsbestimmung beim Haushuhn mittels Liquid-Chromatographie-Massenspektrometrie (LC-MS) zur Entwicklung marktreifer Konzepte” (Projektende Dezember 2024) für Bruttag 9 eine effektive Beprobung der Allantoisflüssigkeit zu 100 Prozent erprobt und somit eine zu 100-prozentsichere Geschlechtsbestimmung ermöglicht werden. Mit diesem wissenschaftlichen Durchbruch wurden praxistaugliche Lösungen gefunden, die das Töten männlicher Küken in Legehennenbetrieben überflüssig macht. So können ethische Konflikte entschärft und der Tierschutz gewährleistet werden. 

"Gemeinsam mit dem Projektpartner SELEGGT GmbH wurde eine serienreife Technologie etabliert. Seit November 2018 sind Konsumeier, deren Legehennen als Brut-Ei das neue Verfahren durchlaufen haben, im Handel verfügbar."

Prof. Dr. Almuth Einspanier, Veterinärmedizinische Fakultät, Universität Leipzig

Wie ging es nach der Förderung weiter?

Die jahrelange Forschung leistete einen entscheidenden Beitrag, das Töten von männlichen Eintagsküken zu beenden. Mit dem über die Jahre entwickelten Verfahren wurde ein erster Ansatz zur industriellen In-ovo-Geschlechtsbestimmung geschaffen. 

Gemeinsam mit dem Projektpartner SELEGGT GmbH wurde die endokrinologische Geschlechtsbestimmung für den massentauglichen Einsatz weiterentwickelt und eine serienreife Technologie etabliert. Seit November 2018 sind Konsumeier, deren Legehennen als Brut-Ei das neue Verfahren durchlaufen haben, im Handel verfügbar.

Bei der spektroskopischen Geschlechtsbestimmung wird gegenwärtig mit den Projektpartnern an dem Transfer in die Praxis gearbeitet.

Wie lief die Zusammenarbeit mit der BLE als Projektträger?

Die Universität Leipzig beschreibt die Zusammenarbeit als konstruktiv. Die BLE begleitete von Anfang an die Projekte von der Antragstellung über die Projektdurchführung bis hin zur Berichterstattung. Bei auftretenden Fragen oder im Projektverlauf aufkommenden Herausforderungen konnte der Zuwendungsempfänger jederzeit kompetente BLE-Ansprechpartner finden, die freundlich und zielführend unterstützten.


Verfahrensentwicklung bis zur Marktreife

Im Rahmen seiner Initiative "Eine Frage der Haltung – Neue Wege für mehr Tierwohl" fördert das BMLEH das Verbundforschungsprojekt zur "In-Ovo-Geschlechtsbestimmung" an der Universität Leipzig. Die Geschlechtsbestimmung am befruchteten Hühnerei stellt nach derzeitigem Kenntnisstand die Option mit dem größten Potential dar, um das Töten männlicher Küken zu beenden.

Vortrag von Prof. Dr. Almuth Einspanier zum Thema "Geschlechtsbestimmung im Ei"